Die Industrie in Südtirol braucht eine Steuerentlastung noch mehr als die Industrie im restlichen Staatsgebiet. Der Unternehmerverband Südtirol erwartet sich von der Landesregierung, daß sie dem Beispiel der römischen Ankündigung folgt und die arbeitsplatzgefährdende IRAP-Steuer auf Landesebene senkt. Viele Klein- und Mittelbetriebe, aber ebenso die wenigen Unternehmen mit über 250 Beschäftigten in Südtirol, könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit die Arbeitsplätze angesichts spezifischer Standortnachteile nicht unbegrenzt verteidigen.

Christof Oberrauch, Präsident des Unternehmerverbandes, geht mit dem Präsidenten des Dachverbandes Confindustria, Luca Cordero di Montezemolo, einig. Beide begrüßen die Ankündigung des Wirtschaftsministers Domenico Siniscalco, ab Juni die IRAP-Steuer schrittweise zu senken. Verbandsdirektor Udo Perkmann erinnert daran, daß die Rechtmäßigkeit der IRAP-Steuer laut EU fraglich sei und außerdem einer Strafsteuer auf Arbeitsplätze gleich komme. Südtirols Betriebe mit einigen hundert Arbeitskräften müßten pro Jahr über 500.000 Euro an dieser Strafsteuer entrichten - unvorstellbar im konkurrierenden Ausland, wo darüber der Kopf geschüttelt werde.

Oberrauch führt als zusätzliche Begründung für die überfällige Entlastung der Unternehmen in Südtirol an, daß hierzulande - wegen der Vollbeschäftigung - die Lohnkosten noch mehr die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe belasten als in Regionen mit Arbeitslosigkeit. Doppelt groß sei deshalb der Druck auf Südtiroler Unternehmen, die Lohnkostenbelastung zu senken. Dazu bestehen drei Auswege:

Die Firmen können noch mehr menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzen. Die Betriebe verlagern Arbeitsplätze in Länder, wo dasselbe Produkt weitaus preiswerter herstellbar ist. Oder die Landespolitik folgt dem Beispiel Roms und senkt die Steuer- und Abgabenbelastung auf menschliche Arbeitskraft. Hierzu wäre die Senkung der IRAP auch auf Landesebene um einen Prozentpunkt ein erster Schritt.

Laut Direktor Perkmann müßten auch die Gewerkschaften für die Entlastung sein, weil dadurch bestehende Betriebe "Luft" bekämen und demzufolge Arbeitsplätze sicherer würden. Südtirol im besonderen und Italien im allgemeinen verliere von Monat zu Monat an Wettbewerbsfähigkeit, wenn hier nicht eine Trendwende eingeleitet werde. Was die Firmen hierzulande belaste, seien die europaweit auffallend hohen Lohnnebenkosten. Ein gewiß nicht gut verdienender Arbeiter, der pro Kalendermonat netto 1.000 Euro verdiene, habe einen Bruttolohn von gut 1.200 Euro, aber der Arbeitgeber trage dafür Gesamtkosten von 2.550 Euro. Diese Kostenposition sei nicht länger haltbar, so Perkmann. Deshalb dränge der Unternehmerverband auf Landesebene auf die rechtlich mögliche Steuerentlastung und der Dachverband in Rom seit langem auf weitergehende Kostenentlastungen.

Am Donnenstag dieser Woche hat die Regierung in Rom nun eine Öffnung angekündigt, wovon auch die Klein- und Mittelbetriebe profitieren sollten. Nun ist in Bozen die Landesregierung gefordert. Laut Oberrauch geraten immer mehr Südtiroler Betriebe zwischen Hammer und Amboß: einerseits der prohibitiv hohe Steuer- und Abgabendruck, anderseits die schwindenden Kundenaufträge und Erlöse. Letzteres ist die Folge der Dollarschwäche bei Exportfirmen, die lahme Konjunktur bei Konsumartikeln in ganz Europa und die gebremste Investitionskraft für Investitionsgüter. "Es wäre gut, wenn auch die Politik in Südtirol den Ernst der Lage erkennen und einsehen würde. Sonst dürfen wir uns über immer neue Produktionsverlagerungen und auch Betriebsschließungen hier in unserem noch blühenden Land nicht wundern", resümiert der Präsident des Unternehmerverbandes.